Biografie

Von Reto Parolari

Ernst Fischer (1900-1975)

Ernst Fischer kam am 10. April 1900 in Magdeburg zur Welt. Seine Eltern wie auch seine Lehrer erkannten frühzeitig sein musikalisches Talent. Obwohl er noch nicht einmal Noten schreiben konnte, komponierte er mit sechs Jahren Stücke mit den vielversprechenden Titeln wie „Elfenreigen“ oder „Unter Trappern“. „Man hätte gar meinen können,   ich sei als Unterhaltungs­kom­ponist zur Welt gekommen“, sagte Ernst Fischer über sich selbst.

Fischers Eltern ermöglichten ihm eine gründliche musikalische Ausbildung. So besuchte er von 1916 bis 1919 in Frankfurt am Main das Hoch'sche Konservatorium bei  prominenten Lehrern wie Bernhard Sekles, Prof. Waldemar von Baussern und Willy Renner. Danach kam Fischer nach Berlin ans Stern'sche Konservatorium. Dort studierte er bei Prof. Rud. M. Breithaupt und Erwin Lendvai Komposition und Klavier. Fischer spielte auch Violine, ließ sich aber in erster Linie zum Konzertpianisten ausbilden.

Seine Liebe zum Klavier schlägt sich in zahlreichen Klaviersoli nieder. Erwähnenswert sind hier auch seine diversen Kompositionen für zwei Klaviere sowie später die von ihm selbst sehr geschätzte Komposition „Toccata“ für Klavier und Orchester.

Früh schon kam Fischer mit dem damals jungen Medium Film in Kontakt und verdiente über viele Jahre sein Geld als Stummfilm-Pianist und -Organist. Unter dem Pseudonym Marcel Palotti spielte er auf der Kinoorgel viele seiner Kompositionen auf Schallplatten ein.

Die folgenden Jahre (bis 1946) verbrachte Fischer in Berlin, wo er auch als Arrangeur und freischaffender Komponist arbeitete. Hier gab es für einen begabten und vor allem auch schnellen Arrangeur sehr viel Arbeit. Nebst Film und Druckarrangements schrieb Fischer auch viele Orchestrationen; nicht zuletzt für sogenannte „Tipp-Komponisten“ die zwar selber Melodien erfinden konnten, oft aber nicht in der Lage waren, die Einfälle selber zu notieren, geschweige denn zu orchestrieren.

Mit der Einführung des Rundfunks in Deutschland 1924 begann Ernst Fischers systematische Arbeit für dieses Medium. Da noch keine radiogerechte Musik existierte, war man auf Komponisten angewiesen, die diesem Umstand abhelfen konnten.

Daß Fischer dann auch Lieder, ja sogar Schlager schrieb, ist die eine Seite seines Wirkens. Weltgeltung erlangte er aber sicher mit seinen Werken für großes Orchester, vor allem  mit seinen Suiten. Seiner ersten Suite 1928 („Drei orientalische Miniaturen“) folgten zahlreiche weitere Kompositionen dieser Art, bis ihm  mit „Südlich der Alpen“ 1937 der endgültige Durchbruch gelang.

Was ist wohl das Geheimnis dieser viersätzigen Suite? Es ist wahrscheinlich die geglückte Mischung zwischen virtuosem Orchestertum im ersten und vierten Satz, melancholischer südlicher Sehnsucht im zweiten und erfolgversprechender Walzerseligkeit im dritten Satz. Das Motiv des zweiten Satzes wurde zu Fischers lebenslangem Signet und steht auch auf seinem Grabstein in Ronco im Tessin.

Der Erfolg eben dieses Themas ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß es hier ein Komponist gewagt hat, in den gefährlichen Grauzonen des Kitsches mit sehr viel Geschmack und großem Gespühr Programm-Musik (die Routine der Stummfilm-Musik kam ihm hier zu Gute) einen genialen Einfall so zu verarbeiten, daß er zu einem instrumentalen Hit wurde.

Dies ist für Fischers Musik sprichwörtlich: es ist ihm immer wieder gelungen, mit reiner Orchestermusik Welthits zu schreiben, was doch den meisten Unterhaltungskomponisten nur mit Vokal- oder Schlagermusik gelungen ist.

Nach seinem Erfolg mit „Südlich der Alpen“ war es Fischer möglich, fortan als freischaffender Komponist und Arrangeur zu leben. Während seiner Berliner Zeit  hat er auch Operetten überarbeitet und diese so zu neuen Erfolgen führen können. So z.B. „Der Narr der Prinzessin“ und „Genoveva von Brabant“, beide von Offenbach, oder auch Dittersdorfs Oper „Doktor und Apotheker“. Seine einzige eigene Operette „Land ohne Musik“ (Text: Fritz Koselka) wurde 1958 uraufgeführt.

Fischers Ruf als hervorragender Arrangeur verschonte ihn auch vom Pionierdienst während der Kriegszeit, dafür mußte er als Arrangeur für das „Deutsche Tanz- und Unterhaltungsorchester“ seinen Dienst leisten .

Nach Kriegsende wurde er freier Mitarbeiter beim Rundfunksender in Köln; ja eine Zeit lang sogar Pianist des „Kabaretts der Zeit“ unter Wilhelm Semmelroth. 1950 zog Ernst Fischer mit seiner Frau Edith nach Nußdorf am Bodensee, wo er viele glückliche und arbeitsame Jahre verlebte.

1963 dann ließ er in Ronco-Corafora nahe Ascona im Tessin im Süden der Schweiz seine „Casa del Pescatore“ („Haus des Fischers“) hoch über dem Lago Maggiore bauen, in der er bis zu seinem Lebensende lebte und wirkte. Nach eigenen Angaben war dies die schönste Zeit in seinem Leben.

Schrieb er auch im Alter etwas weniger - es gab ja kaum mehr Rundfunk-Unterhaltungsorchester, und der Bedarf  an funkgerechter Musik nahm ab - hatte er endlich Zeit, sich seinen zahlreichen Hobbies zu widmen. Große Reisen, auf denen er sich oft musikalische Ideen holte, gehörten ebenso dazu wie das Filmen und Fotografieren. Die Filme vertonte er - logischerweise - gleich selber.

Nebst Gartenarbeit war er aber vor allem auf seine perfekt eingerichtete Werkstatt im Keller seines Hauses stolz. Handwerklich begabt, war er in der Lage, kleine Reparaturen im Hause gleich selber vorzunehmen. Kochen gehörte ebenso zu seinen Hobbies wie das Mischen ausgefallener Cocktails.

Ernst Fischer war in jeder Beziehung ein genialer Musiker. Mit seiner Perfektion und Raffinesse hat er es fertiggebracht, der sinfonischen Unterhaltungsmusik einen neuen Stellenwert zu geben. Talent alleine reicht dazu nicht aus, es gehört sehr viel Fleiß dazu. Beherrschung des Handwerks, Orchestration, Kontrapunkt etc. sind die Grundlagen. Ernst Fischer hat wichtige musikalische Zeichen gesetzt. Als er 1975 starb, hinterließ er ein reiches musikalisches Erbe. Sein Œuvre ist eine wahre Fundgrube, und wenn dieses Werkverzeichnis ein klein wenig dazu beitra­gen kann, daß sich Orchester, Diri­genten, aber auch Rundfunkredakteure ver­mehrt dieser Musik an­nehmen, dann ist sein Zweck erfüllt. Ernst Fischer und seine Frau Edith, welche drei Jahre nach seinem Tode in der „Casa del Pescatore“ tödlich verunglückte,  wurden auf dem wunderschönen Friedhof von Ronco beerdigt: südlich der Alpen.